Sachverhalt
Die Gesuchstellerin ist ein Verein, der sich in der Integration von Ausländern engagiert. Ab der Gründung wurde sie unter Hinweis auf die Gemeinnützigkeit steuerbefreit. Allerdings wurde die Steuerbefreiung nach acht Jahren rückwirkend auf den Gründungszeitpunkt widerrufen. Der Gesuchstellerin drohten Nachsteuern und eine Busse. Dagegen erhob die Gesuchstellerin Beschwerde und liess sich dabei durch den Gesuchsgegner vertreten.
Der Gesuchgegner erreichte für die Gesuchstellerin im Beschwerdeverfahren, dass die Busse kassiert wurde. Die Nachsteuerpflicht konnte allerdings nicht abgewendet werden. Der Gesuchgegner vertrat zudem die Gesuchstellerin gegenüber der Haftpflichtversicherung ihres ehemaligen Treuhänders, der durch seine Falschberatung zum Widerruf der Steuerbefreiung beigetragen hatte.
Der Gesuchgegner stellte zunächst monatlich oder zumindest quartalsweise Rechnung für seine Leistungen im Betrag von gesamthaft ca. CHF 80 000. Diese Rechnungen wurden von der Gesuchstellerin beglichen. Die letzte, strittige Rechnung über ca. CHF 50 000 wurde vom Gesuchsgegner erst mit einer Verzögerung von einem Jahr gestellt.
Standpunkt der Gesuchstellerin
Die Gesuchstellerin stellt sich vorab auf den Standpunkt, der Einsatz einer Mitarbeiterin des Gesuchgegners sei nicht mit ihr abgesprochen und exzessiv gewesen. Der Gesuchgegner habe sodann in der Haftpflichtsache keinerlei für sie sichtbare Tätigkeit vorgenommen, und das diesbezügliche, behauptete Honorar sei also nicht geschuldet. Generell kritisiert die Gesuchstellerin die mangelnde Effizienz des Gesuchsgegners. Insbesondere seien zu viele interne Besprechungen durchgeführt und diverse nie eingereichte Eingaben vorbereitet worden, da das Vorgehen immer wieder angepasst wurde. Inakzeptabel sei es schliesslich, die sehr hohe (nach Mandatsentzug gestellte) Schlussrechnung mit einer einjährigen Verzögerung vorzulegen.
Standpunkt des Gesuchsgegners
Der Gesuchgegner vertritt die Auffassung, dass der Beizug seiner Mitarbeiterin mit der Gesuchstellerin abgesprochen gewesen sei. Interne Besprechungen habe er aus Kulanz gar nicht in Rechnung gestellt. In der Haftpflichtsache habe er einen substanziellen Aufwand geleistet. Die erarbeiteten Erkenntnisse hätte er (nach Mandatsentzug) der Gesuchstellerin gegen Bezahlung des Honorars zur Verfügung gestellt. Anders als von der Gesuchstellerin unterstellt, sei seine Tätigkeit effizient und zielführend gewesen. Das für die Gesuchstellerin erzielte Ergebnis sei sehr erfreulich gewesen, da die Nachsteuerpflicht auf CHF 558 000 reduziert und die Busse kassiert wurde (zunächst verfügt waren ca. CHF 780 000 Nachsteuer und Busse). Schliesslich sei die Gesuchsstellerin in der Lage gewesen, den verzögert in Rechnung gestellten Honoraraufwand des Gesuchsgegners abzuschätzen.
Beurteilung der Honorarkommission
1. Unangemessenheit des Zeitaufwands
Die Honorarkommission überprüft den geltend gemachten Zeitaufwand nur bei offensichtlicher Unangemessenheit (§ 5 Abs. 2 des Reglements).
Der Gesuchgegner hat für das Steuerverfahren und die Arbeit an einer nie eingereichten Stellungnahme in der Haftpflichtsache insgesamt 325 Stunden in Rechnung gestellt. 170 Stunden entfallen auf die letzte Rechnungsperiode. Zwar sind grundsätzlich nur noch diese verzögert in Rechnung gestellten Leistungen strittig, da die vorangehenden Rechnungen von der Gesuchstellerin bezahlt wurden. Die Honorarkommission prüft die strittige Rechnung allerdings im Lichte des gesamten vom Gesuchgegner geleisteten Aufwands. Der Gesamtaufwand wurde u.a. aus den folgenden Gründen als äusserst fragwürdig eingeschätzt:
- Das Verfahren betreffend den Entzug einer Steuerbefreiung stellt für einen Steuerrechtsanwalt keine ungewöhnliche Aufgabe dar und sollte diesem keine ungebührlichen Schwierigkeiten bereiten. Zudem hat der Gesuchgegner das Verfahren bereits in einem fortgeschrittenen Stadium übernommen. Ein anderer Spezialist hat also relevante analytische und taktische Vorarbeit geleistet. Diese Vorarbeiten waren dem Gesuchgegner nützlich, und zwar selbst dann, wenn sie sich (wie vorliegend vom Gesuchgegner unterstellt) als falsch oder zumindest als zu defensiv herausgestellt haben. Die Rechtslage wurde zudem schon vor der Mandatierung des Gesuchsgegners weitestgehend geklärt und der vom Gesuchsgegner verhandelte Vergleich war dadurch präjudiziert. Die disproportionale Anzahl der vom Gesuchgegner geleisteten Stunden erscheint vor diesem Hintergrund als nicht plausibel.
- Verschiedene fragwürdige Rechnungspositionen tragen zur negativen Einschätzung der strittigen Rechnung bei. So wurde u.a. immer wieder Aufwand für Aktenstudium verrechnet, oder es wurden blosse Anrufversuche in Rechnung gestellt.
- Zudem liegen keinerlei Hinweise auf ein effektives Tätigwerden des Gesuchgegners in der Haftpflichtsache vor. Für die Honorarkommission war nicht erkennbar, ob der Gesuchgegner seit der Mandatsannahme in dieser Sache überhaupt konkrete Schritte unternommen hat und, wenn ja, welche. Seine angeblichen Leistungen hat er weder plausibilisiert noch bewiesen. Die Herausgabe von Arbeitsprodukten hat er verweigert.
Aus den genannten Gründen bestehen für die Honorarkommission Hinweise für eine deutlich übersetzte und damit offensichtlich unangemessene Honorarrechnung.
2. Offensichtliche Sorgfaltswidrigkeit
Die Honorarkommission überprüft eine von der Gesuchstellerin geltend gemachte Sorgfaltspflichtverletzung nur dann, wenn diese offensichtlich ist (§ 5 Abs. 2 des Reglements).
Die Geltendmachung einer klar übersetzten Rechnung durch den Gesuchgegner steht im Widerspruch zu einer sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung i.S.v. Art. 12 lit. a BGFA (Walter Fellmann, Kommentar BGFA, a.a.O., Art. 12, N. 26b).
Ein Verstoss gegen die Pflicht, den Anwaltsberuf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben, liegt auch dann vor, wenn der Anwalt völlig passiv bleibt und nach aussen nichts Wahrnehmbares vorkehrt (Walter Fellmann, Kommentar BGFA, a.a.O., Art. 12, N. 28b f.). Indem der Gesuchgegner ohne nachvollziehbare Begründung im Haftpflichtfall keine erkennbaren Schritte unternahm, verletzte er die Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Ausübung des Anwaltsberufs.
Aus den dargelegten Gründen besteht für die Honorarkommission Grund zur Annahme, dass der Gesuchgegner seine anwaltlichen Sorgfaltspflichten offensichtlich verletzt hat.
3. Verletzung der anwaltlichen Aufklärungspflichten
Gemäss Art. 12 lit. i BGFA ist der Anwalt verpflichtet, von sich aus bei Übernahme des Mandats über die Grundsätze seiner Rechnungsstellung und periodisch oder auf Verlangen über die Höhe des geschuldeten Honorars zu informieren. Der Anwalt hat den Klienten aber auch hinsichtlich des zu erwartenden Honorars aufzuklären. Daneben muss der Anwalt über die laufende Kostenentwicklung periodisch informieren. Bei länger dauernden Mandaten dürfte eine vierteljährliche Abrechnung angemessen sein. Pflichtwidrig ist hingegen, wenn über Jahre hinweg keine Abrechnungen erstellt werden (Walter Fellmann, Kommentar BGFA,
a.a.O., Art. 12, N. 171b). Es wird zudem verlangt, dass der Anwalt in komplizierten Fällen auf die Unvorhersehbarkeit der Kostenentwicklung hinweist (dazu: Walter Fellmann, Kommentar BGFA, a.a.O., Art. 12, N. 170a).
Der Gesuchgegner hat die Gesuchstellerin ca. zwei Monate nach Bezahlung der letzten Rechnung durch die Gesuchstellerin darüber orientiert, dass mit Anwaltskosten von gesamthaft ca. CHF 97 000 zu rechnen sei. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Gesuchgegner nach seiner letzten Rechnungstellung ein Jahr bis zur (im Vergleich zur eigenen Kostenschätzung deutlich höheren) Schlussrechnung verstreichen liess.
Aus den dargelegten Gründen stellt sich die Honorarkommission auf den Standpunkt, dass der Gesuchgegner seinen anwaltlichen Aufklärungspflichten nicht angemessen nachgekommen ist.
4. Ergebnis
Im Rahmen der Vergleichsverhandlung wurde den Parteien eine vergleichsweise Beilegung dieser Angelegenheit nahegelegt. Dabei wurde dem Gesuchgegner vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen empfohlen, seine letzte Honorarrechnung zu reduzieren, bzw. der Gesuchstellerin wurde geraten, die
letzte Rechnung im Umfange von CHF 25 000 (exkl. MwSt.) anzuerkennen.